Handlungsgrundsätze der Polizei

Maßnahmerichtung

Adressat einer polizeilichen Maßnahme ist grundsätzlich der Verantwortliche. Verantwortlicher ist derjenige, der durch sein Verhalten die Gefahr verursacht hat, oder dem der Gefahr verursachende Zustand zuzurechnen ist. Die Verantwortlichkeit folgt aus den Art. 7, 8 und 10 PAG, die zwischen dem Verhaltensverantwortlichen, dem Zustandsverantwortlichen und dem Nichtverantwortlichen unterscheiden, die jeweils unabhängig von einem Verschulden polizeilich in Anspruch genommen werden können.

  • Verhaltensverantwortung, Art. 7 PAG
    Die Maßnahme richtet sich gegen Personen, die die Gefahr selbst verursacht haben, entweder unmittelbar durch ein Tun oder Unterlassen, als aufsichtspflichtige Person oder als Geschäftsherr nach Art. 7 Abs. 3 PAG.

  • Zustandsverantwortung, Art. 8 PAG
    Die Zustandsverantwortlichkeit stellt auf das Innehaben der tatsächlichen Gewalt über eine Sache ab. So kann sich beispielsweise ein polizeiliches Handeln gegen den Eigentümer einer Sache als Zustandsstörer richten, es sei denn, der Berechtigte oder Inhaber übt die tatsächliche Gewalt ohne den Willen des Eigentümers oder Berechtigten aus, vgl. Art. 8 Abs. 2. Ein Verantwortlicher in diesem Sinne kann auch der frühere Eigentümer sein, der das Eigentum aufgegeben hat.

  • Maßnahmen gegen Nichtverantwortliche, Art. 10 PAG
    Ein polizeiliches Handeln kann sich gegen Nichtverantwortliche, also solche Personen, die weder Handlungs- noch Zustandsstörer sind, richten, sofern folgende Voraussetzungen vollständig gegeben sind:

    1. Es muss eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwehren sein.
    2. Maßnahmen dürfen gegen die nach den Art. 7 oder 8 Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sein oder keinen Erfolg versprechen.
    3. Die Polizei darf die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig selbst oder durch Beauftragte abwehren können und
    4. die betroffenen Personen ohne erhebliche eigene Gefährdung und ohne Verletzung höherwertiger Pflichten in Anspruch genommen werden können.

Bei der Auswahl des Störers gelten die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, nach denen die Polizei das ihr zustehende Ermessen ausüben muss. In der Regel gilt die Faustformel, dass ein Handeln sich gegen den Handlungsstörer vor dem Zustandsstörer richten muss und, sofern mehrere Störer zur Auswahl stehen, der jeweils zeitlich letzte Störer in Anspruch genommen werden muss. Im Zweifel regiert wie stets im Polizeirecht der Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr.

Verhältnismäßigkeit

Nach Art. 4 PAG ist die Polizei bei ihrem Handeln den Restriktionen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit unterworfen. Dieser fordert in der Praxis, dass die Beamten unter mehreren ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln dasjenige auswählen, das am geringsten in die Rechte des Betroffenen eingreift. Zudem darf die Intensität der Maßnahme sich nur in dem erforderlichen Rahmen halten.

Die Adressaten eines polizeilichen Handelns sollen vor Übermaß und Willkür geschützt werden.

Ermessen

Die Polizei ist im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft nicht per se verpflichtet, einer Gefahr nachzugehen. Nach dem sog. Opportunitätsprinzip steht ihr ein Ermessen zu, und zwar solwohl hinsichtlich des "ob" (Entschließungsermessen) als auch des "wie" (Auswahlermessen) des Einschreitens. Das polizeiliche Entschließungsermessen ist eingeschränkt, wenn eine Gefährdung der Verletzung von Grundrechten (z.B. das Leben eines Dritten) oder sonstige, wichtige Rechtsgüter betroffen sind. Man spricht dann von einer Ermessensreduzierung auf Null.

Zu beachten ist, dass nach § 114 VwGO die Ausübung von Ermessen nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist. Das Gericht kann in diesen Kernbereich der Verwaltung nur dann eingreifen, wenn die Grenzen des Ermessensgebrauchs verkannt wurden (z.B. sachfremde Motive).