Ein "Oberleitungs Urteil"

Verschärft hat der BGH (Urteil vom 14.03.1995 - VI ZR 34/94 - VersR 95, 672 = NJW 95, S. 2631; vgl. hierzu auch Möllers "Verkehrspflichten gegenüber Kindern" mit Anmerkungen zu diesem Urteil = VersR 95, S. 2631; Kritisch zum Urteil: Foerster, Haftet die Gesellschaft für Erziehungsfehler? = NJW 95, S. 2605) die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht der Eisenbahnen im Hinblick auf die Warnpflichten bei Güterwagen, die mit zum Wagendach führenden Steigleitern ausgestattet sind.

In dem entschiedenen Fall war ein 13jähriger Junge auf einen abgestellten Güterwagen geklettert. Das Wagendach konnte über zwei feststehende Leitern leicht erreicht werden. Auf dem Dach erlitt der Junge durch Stromüberschlag aus der Oberleitung mit 15 000 Volt schwerste Verletzungen.

Bis zu dieser Entscheidung hatte die Bahn durch zwei gelbe Blitzpfeile an den Wagen vor der Gefahr aus elektrischen Anlagen gewarnt. Die Rechtsprechung zu Unfällen beim Besteigen von Güterwagen sah das bis dahin als ausreichend an.

Die strengere Rechtsprechung des BGH wirkte jedoch erst für die Zukunft.

In dem entschiedenen Fall traf die Bahn rechtlich kein Verschulden, weil das OLG Hamm mit Billigung des BGH in zwei, kurze Zeit vor diesem Unfall ergangenen Urteilen die Blitzpfeile noch als ausreichende Warnung angesehen hatte. Auf diese Rechtsprechung durfte die Bahn bis zu dieser Entscheidung des BGH vertrauen. Als Folge davon brauchte die Bahn kein Schmerzensgeld zu zahlen, weil kein Verschulden vorlag.

Für die Verkehrssicherung im Einzelnen läßt sich aus der Entscheidung folgendes herleiten:

  • Bei Vorliegen gefahrerhöhender Umstände werden gezielte Warnhinweise gefordert; dabei kommen pictographische Darstellungen oder gezielte Warnhinweise in Frage.
  • Gefahrerhöhende Umstände liegen vor, wenn Fahrzeuge mit Leitern in einem für Kinder zugänglichen Gelände abgestellt sind.
  • Es muß auf die Gefahr hingewiesen werden, die von der Annäherung an die Oberleitung ausgeht.
  • Ein zwingendes Erfordernis auf Einzäunung des Geländes oder auf sonstige bauliche Vorkehrungen besteht nicht.

Die DB AG hat die entsprechende Kennzeichnung der Güterwagen veranlaßt.