Sicherheitsrecht - allgemeines Gefahrenabwehrrecht

Überblick

Das Sicherheitsrecht dient als Oberbegriff für eine Aufgabenzuweisung an die Träger öffentlich-rechtlicher Gewalt und hat zum Ziel, die in ihrer Obhut lebenden Menschen möglichst vor Gefahren zu schützen und im Fall des Eintritts einer Gefahr, diese abzuwehren. Viele dieser Gefahrszenarien sind in bundes- und landesrechtlichen Spezialgesetzen verankert, beispielsweise im

  • Aufenthaltsrecht
  • Melderecht; Passrecht
  • Vereinsrecht
  • Waffenrecht
  • Straßenverkehrs- und Zulassungsrecht
  • Anlagen- und verhaltensbezogenes Immissionsschutzrecht
  • Versammlungsrecht
  • Tierschutzrecht
  • Sprengstoffrecht
  • Pflichtversicherungsrecht
  • Wasserrecht
  • Katastrophenschutzrecht
  • Unterbringungsrecht
  • Abfallrecht.

Zum Teil enthalten einzelne, nicht spezifisch gefahrenschützende Rechtsgebiete Normierungen, z.B. das Bau(ordnungs)recht, das Naturschutzrecht, das Gaststättenrecht oder das Gewerberecht, die einen sicherheitsrechtlich Hintergrund haben.

Auf die Normen des allgemeinen Sicherheitsrechts kann dann zurückgreifen werden, wenn die besonderen Regelungskomplexe nicht betroffen sind, dennoch aber eine gefahrenvermeidendes bzw. gefahrenabwehrendes Handeln nötig ist. Systematisch lehnt sich das allgemeine Sicherheitsrecht an das Polizeirecht an (oder umgekehrt). In Bayern sind die einschlägigen Vorschriften dem LStVG zu entnehmen.

Aufgaben und Befugnisse der Sicherheitsbehörden

Nach Art. 6 (Bay)LStVG haben die Sicherheitsbehörden die Aufgabe, die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch die Abwehr von Gefahren und durch die Unterbindung und Beseitigung von Störungen aufrechtzuerhalten.

Die Begriffsdefinitionen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung decken sich dabei mit denen des Polizeirechts. Darüber hinaus ist der hier verwandte Begriff der Störung die Bezeichnung für eine bereits eingetretene Gefahr. Die Unterbindung ist Verhinderung der Fortsetzung der Störung, die Beseitigung die Beendigung des Gefahrlaufs.

Jeder sicherheitsrechtliche Eingriff bedarf innerhalb des Aufgabenkreises des Art. 6 LStVG einer Rechtsgrundlage (sog. Vorbehalt des Gesetzes. Eine solche Befugnis kann gemäß Art. 7 Abs. 1 und 2 LStVG
Spezialgesetzen entnommen werden,
den besonderen Normen des LStVG (Art. 12 ff. LStVG) oder
der Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 LStVG.

Standardbefugnisse des LStVG sind:

  • Verhütung übertragbarer Krankheiten ( Art. 12 Abs. 2 LStVG, vgl. auch § 1 BSeuchG)
  • Halten von Hunden (Art. 18 Abs. 2 LStVG): keine Beschränkung auf bestimmte Hunderassen oder -größen; umfasst nicht nur die Anleinpflicht, auch weitergehende Regelungen wie eine Haltung im Zwinger, Maulkorb, etc.
  • Menschenansammlungen (Art. 23 Abs. 1 LStVG), z.B. Konzerte
  • Ski- und Bobfahren und Rodeln (Art. 24 Abs. 2)
  • Betreten und Befahren von Grundstücken (Art. 26 Abs. 2 LStVG) ; für öffentliche Straßen, Plätze und Wege ist das Straßenverkehrsrecht vorrangig, vgl. § 45 Abs. 1 StVO und § 7 Abs. 2 BFernStrG
  • Öffentliche Anschläge (Art. 28 LStVG): hierunter fallen aber nicht ortsfeste Werbeanlagen, die unter das Baurecht fallen, vgl. Art. 2, 11, 63 Abs. Abs. 1 S. 1 Nr. 11 BayBO
  • Fliegende Verkaufsanlagen(Art. 29 Abs. 1 LStVG), in Abgrenzung zu Verkaufsanlagen auf öffentlichem Verkehrsgrund, vgl. § 33 Abs. 1 StVO.

Ist eine Spezialermächtigung nicht gegeben, ein Einschreiten der Sicherheitsbehörden zur Gefahrenabwehr aber erforderlich, so kann ein sicherheitsrechtliches Handeln auf die Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 LStVG gestützt werden. Ein Rückgriff ist aber dann ausgeschlossen, wenn das besondere Gesetz eine abschließende Regelung der Materie enthält. Bsp.: VersammlungsG für öffentliche Versammlungen.

Im Rahmen jeder Maßnahme sind die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der ordnungsgemäßen Ermessensausübung zu achten.

Zur Durchsetzung stehen den Sicherheitsbehörden die Zwangsmittel des Art. 18 ff. BayVwZG zur Verfügung: die Verhängung eines Zwangsgeldes, die Ersatzvornahme und der unmittelbare Zwang, die jeweils vorher anzudrohen sind.

Rechtschutz gegen Anordnungen der Sicherheitsbehörden

Sicherheitsrechtliche Bescheide und Anordnungen sind Verwaltungsakte, die mit, soweit erforderlich (siehe Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens im Kapitel Rechtschutz), mit Widerspruch und Anfechtungsklage angegriffen werden können. Erfolgte die Anordnung in Vollzug einer sicherheitsrechtlichen Verordnung, so wird die Rechtmäßigkeit der Verordnung im Rahmen dieser Klage mit geprüft.

Gegen eine Verordnung steht zudem grundsätzlich der Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO und in Bayern u.U. auch die Popularklage nach Art. 98 S. 4 der Bayerischen Verfassung vor dem Verfassungsgerichtshof.