Widerspruchsverfahren

Das Widerspruchsverfahren ist ein Rechtsbehelfsverfahren, das vor Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage der handelnden Behörde die Möglichkeit eröffnen soll, ihr eigenes Handeln zu korrigieren und, für den Fall, dass diese ihre Auffassung beibehält, der nächsthöheren Behörde eine Überprüfungsmöglichkeit gibt. Dementsprechend gliedert sich das sog. Vorverfahren in zwei Abschnitte: Das sog. Abhilfeverfahren der Ausgangsbehörde und bei Nichtabhilfe das Widerspruchsverfahren (i.e.S.).

Gegenstand des Widerspruchsverfahrens ist folglich stets eine Verwaltungsakt.
Eine unmittelbare Erhebung einer Klage ohne die Durchführung eines Vorverfahrens führt zur Abweisung der Klage wegen Unzulässigkeit. Das (erfolglose) Vorverfahren ist daher Sachurteilsvoraussetzung der Klage.

Entsprechend den Klagevoraussetzungen ist ein Widerspruch analog § 42 Abs. 2 VwGO nur dann zulässig, wenn der Widerspruchsführer ihm zustehende Rechte geltend macht, die durch den Verwaltungsakt möglicherweise verletzt sein könnten. Problematisch kann dies vor allem bei Nachbaranfechtungen von Bauverwaltungsakten sein. Hier ist es nötig, dass der widerspruchsführende Dritte, gegen den selbst der Bescheid nicht ergangen ist, ihm zustehenden nachbarschützende Rechte geltend macht.

Die Erhebung des Widerspruchs muss nach § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes erfolgen.
Bei Widersprüchen von Dritten ist die Einlegung grundsätzlich unbefristet möglich, wenn der Verwaltungsakt dem Dritten nicht bekannt gegeben wurde. Im Baurecht sind aber die Grundsätze des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses zu beachten. Hier können sich aus Treu und Glauben besondere Rücksichtnahmepflichten ergeben. Dem Nachbarn obliegt es, insofern mitzuwirken als dem Bauherrn als Nachbarn ein Schaden entstehen könnte. Die Rechtsprechung orientiert sich hierbei an der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO, die normalerweise nur bei unterbliebener oder unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung greift. Eine Verwirkung des Widerspruchs- und Klagerechts kann aber schon zuvor eintreten, wenn die Umstände des Einzelfalls (sog. Umstandsmoment) den Schluss auf die Nichterhebung eines Widerspruchs innerhalb eines bestimmten Zeitraums (sog. Zeitmoment) rechtfertigen.

Die nächsthöhere Behörde und damit die Widerspruchsbehörde ist beim Handeln des Landratsamtes die jeweilige (in Bayern) Bezirksregierung. Handelt eine Gemeinde, so ist zu unterscheiden, ob diese übertragene, staatliche Aufgaben wahrnimmt, dann trifft ebenso die Regierung die Entscheidung über den Widerspruch. Handelt die Gemeinde im eigenen Wirkungskreis, nimmt sie also ihr originär zugewiesene Aufgaben war, so ist das Landratsamt Widerspruchsbehörde.

Führen weder die Nichtabhilfe noch die Beurteilung durch die Widerspruchsbehörde zum Erfolg, so ergeht der Widerspruchsbescheid, gegen den in der Folge Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben werden kann. Dieser Bescheid ist kostenpflichtig (im Gegensatz zum kostenfreien Einspruchsverfahren vor den Finanzbehörden). Der Widerspruchsbescheid enthält auch eine Entscheidung darüber, wer die Kosten des Vorverfahrens zu tragen hat, § 73 Abs. 3 S. 3 VwGO.

In der Verwaltungspraxis ist immer mehr eine im Gesetz nicht vorgesehene Variante der Beendigung im Vordringen: das sog. abgekürzte Widerspruchsverfahren. Folgt die Widerspruchsbehörde der Auffassung der Ausgangsbehörde, so bietet sie dem Widerspruchsführer zur Vermeidung einer kostenpflichtigen Entscheidung über den Widerspruch an, den Widerspruch zurückzunehmen. Mit der Rücknahme des Widerspruchs wird der zugrunde liegende Verwaltungsakt bestandskräftig und damit unanfechtbar. Er kann durch die Behörde vollstreckt werden.