Welche Rechte haben Nachbarn im Genehmigungsverfahren?

Unter „Drittschutz“ werden im Baurecht alle Ver- und Gebote zusammengefasst, die gewährleisten sollen, dass die bauliche Nutzung eines Grundstücks nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird. Von einer Baumaßnahme eines Einzelnen ist stets auch das städtebauliche Umfeld betroffen. Die reine Betroffenheit bedeutet aber nicht zugleich, dass der Beeinträchtigte diese nicht bis zu einem gewissen Grad hinnehmen muss. Es besteht eine Wechselwirkung zwischen den Grenzen des Bauherrn und der Nachbarrechte.

Um das Maß der Zumutbarkeit zu bestimmen, ist im Einzelfall eine baurechtliche Norm dahingehend zu untersuchen, ob sie als subjektiv-öffentliche Norm den Nachbarn schützen will. Dies ist der Fall, wenn die Vorschrift den Einzelnen aus der Masse aller denkbar Betroffenen heraushebt und in individualisierter und qualifizierter Weise dessen Schutz bezweckt (vgl. den sog. „Schweinemästerfall“, BVerwGE NJW 1978, 62). Es hat also eine Abgrenzung des Personenkreises und einer Feststellung der rechtlichen Schutzwürdigkeit zu erfolgen.

Im Folgenden sollen einige Normen und Abgrenzungskriterien für den Einzelfall, die von der Rechtsprechung entwickelt wurden, beispielhaft genannt werden:

Drittschutz im Bauplanungsrecht

§ 30 BauGB (Bebauungspläne):

Eine nach § 30 BauGB zu prüfende Festsetzung ist drittschützend, wenn die Bestimmung nach der Absicht der Gemeinde nicht nur der städtebaulichen Ordnung dienen soll. Dies ist ggf. durch Auslegung zu ermitteln. Grundsätzlich ist der drittschützende Charakter von Festlegungen der Art, nicht aber des Maßes der baulichen Nutzung denkbar.

Anspruch auf Wahrung des Gebietscharakters;

allgemeines Rücksichtnahmegebot (§ 15 BauNVO i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB);

ausdrücklich anerkannt für § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB (Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen)

  • § 31 Abs. 2 BauGB: „Würdigung nachbarlicher Interessen“
  • § 33 BauGB: anhängig von den Festsetzungen des zukünftigen Bebauungsplanes
  • § 34 Abs. 1 BauGB: Anspruch auf Wahrung des Gebietscharakters; allgemeines Rücksichtnahmegebot (§ 15 BauNVO)
  • § 34 Abs. 2 BauGB: „Einfügensgebot“ als Ausdruck des Rücksichtnahmegebotes
  • § 35 Abs. 1 BauGB: Rücksichtnahmegebot bei Beeinträchtigung der Privilegierung
  • § 35 Abs. 2 BauGB: Rücksichtnahmegebot (§ 15 BauNVO)
  • § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB: Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen

Drittschutz im Bauordnungsrecht

Wie die Generalklausel im Polizeirecht ist die bauordnungsrechtliche allgemeine Eingriffsmöglichkeit nach Art. 3 Abs. 1 BayBO („Anlagen sind unter Berücksichtigung der Belange der Baukultur, insbesondere der anerkannten Regeln der Baukunst, so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben und Gesundheit, und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden“) nur teilweise nachbarschützend. Die Herstellung der „ öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ dient auch der Sicherung der Individualrechtsgüter, welche u.U. ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörden bedingen.

In spezielleren Vorschriften wurden den Regelungen über die Abstandsflächen zwischen Gebäuden (Art. 6 BayBO), Brandschutz und Stellplätzen eine nachbarschützende Wirkung zugesprochen.