Wann ist eine genehmigungspflichtige bauliche Anlage genehmigungsfähig?

Die bauliche Anlage ist genehmigungsfähig, wenn sie öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widerspricht, die im baurechtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.

Dies beinhaltet die Frage des den Bauaufsichtsbehörden obliegenden Prüfprogrammes und den damit gestellten materiellen Anforderungen.

Vereinfachtes Genehmigungsverfahren

In den allermeisten Fällen der Baugenehmigung kommt das eingeschränkte Prüfprogramm des Art. 59 BayBO zur Anwendung, das sog. vereinfachte Genehmigungsverfahren. Danach ist die Prüfung durch die Baugenehmigungsbehörde vor allem auf die bauplanungsrechtlichen Vorschriften der §§ 29 ff. BauGB beschränkt. Die Behörde prüft:

1. die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB und den Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinn des Art. 81 Abs. 1 BayBO,

2. beantragte Abweichungen im Sinn des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO sowie

3. andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird.

Die Beschränkung des Prüfprogrammes entbindet den Bauherren aber nicht von der Einhaltung weiterer öffentlich-rechtlicher Vorschriften. Stellt die Behörde solche Verstöße fest, kann sie u.U. die Baugenehmigung wegen des fehlenden Sachbescheidungsinteresses verweigern, um nicht erst eine Genehmigung erteilen zu müssen, gegen die dann bauaufsichtlich vorgegangen werden müsste.

Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens folgt aus den §§ 29 ff. BauGB. Diese finden nur Anwendung, wenn nach § 29 BauGB eine bauliche Anlage vorliegt. Der Begriff der baulichen Anlage deckt sich weitgehend mit dem der BayBO, ist aber aufgrund der bundesrechtlichen Herkunft eigenständig zu definieren. Hinzu kommt, denn nur insoweit steht dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zu, das Kriterium der bodenrechtlichen Relevanz der baulichen Anlage, das aber stets gegeben sein wird. Sodann ist nach den vorgegebenen Gebietstypen zu unterscheiden:

Zulässigkeit eines Vorhabens im Bereich eines qualifizierten Bebauungsplanes nach § 30 Abs. 1 BauGB

Nach § 30 Abs. 1 ist eine Anlage bauplanungsrechtlich zulässig, wenn das betroffene Grundstück mit einem qualifizierten Bebauungsplan überplant ist, das Vorhaben den Festsetzungen des Bebauungsplanes entspricht und die Erschließung gesichert ist.

Ausnahmen und Befreiungen von den Festsetzungen des Planes sind nach § 31 BauGB möglich. Dabei regelt § 31 Abs. 1 BauGB den Fall, dass eine Befreiungsmöglichkeit ausdrücklich nach Art und Umfang im Plan vorgesehen wurde. Die schwierige Variante des § 31 Abs. 2 BauGB fordert, dass entweder

  • Gründe des Allgemeinwohls oder
  • städtebauliche Gründe oder
  • eine nicht beabsichtigte, grundstücksbezogene (!) Härte für eine Ausnahme sprechen

und die Grundzüge der Planung nicht beeinträchtigt werden sowie die Abweichung mit den öffentlichen Belangen unter Würdigung nachbarlicher Interessen vereinbar ist. Hierdurch soll besonderen Härten im Einzelfall abgeholfen werden können. Dies impliziert, daß nach der gesetzgeberischen Intention die Befreiung grundsätzlich die Ausnahme darstellt. In der Praxis profitieren beide „Seiten“ von dieser Möglichkeit: die Behörde bekommt eine zusätzliche Befreiungsgebühr, der Bauherr das erwünschte Baurecht.

Wird über das Vorhaben während der Aufstellungsphase eines Bebauungsplanes entschieden, so kann u.U. § 33 BauGB eine vorzeitige Genehmigung ermöglichen. Voraussetzung ist aber, dass das Vorhaben nicht schon nach § 30 Abs. 1, 34 oder 35 BauGB zulässig ist.

Zulässigkeit innerhalb der im Zusammenhang bebauter Ortsteile nach § 34 BauGB

„Im Zusammenhang bebauter Ortsteile“ umschreibt jede Bebauung innerhalb des Gemeindegebietes, die den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit erweckt, deren Bebauung nach der Anzahl der vorhandenen Gebäudlichkeiten ein gewisses Gewicht hat und die Ausdruck einer organisch gewachsenen Siedlungsstruktur ist. Die Abgrenzung erfolgt stets anhand der bereits vorhandenen Bebauung. Im Zweifel hat die Gemeinde die Möglichkeit, durch eine Satzung die Grenze zwischen Außen- und Innenbereich festzulegen, § 34 Abs. 4 BauGB (Klarstellungs-, Entwicklungs- oder Abrundungssatzung).

Die bauplanungsrechtliche Vereinbarkeit eines Vorhabens mit § 34 BauGB entscheidet sich danach, ob die bauliche Anlage sich in die vorhandene Baustruktur einfügt. Entspricht das Vorhaben nach seinem tatsächlichen Charakter einem der in der BauNVO aufgezählten Gebiete, z.B. dem Charakter eines Gewerbegebietes, so richtet sich die Zulässigkeit nach § 34 Abs. 2 BauGB, im Übrigen nach § 34 Abs. 1 BauGB.

Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben zulässig, wenn sich eine Anlage im Innenbereich hinsichtlich der Art und des Maßes (Größe des Baukörpers) der baulichen Nutzung, der Bauweise (offene oder geschlossene, z.B. Reihenhäuser, Bauweise) und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Darüber hinaus

  • muss die Erschließung gesichert sein,
  • müssen die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben
  • darf das Ortsbild nicht beeinträchtigt werden,
  • darf das Vorhaben den Festsetzungen eines einfachen Bebauungsplanes nicht widersprechen – soweit vorhanden –,
  • muss die Gemeinde ihr Einvernehmen nach § 36 Abs. 1 BauGB erteilt haben.

Prüfungsmaßstab sind daher insbesondere die vorhandene Bebauung mit Ausnahme sog. Fremdkörper in der näheren Umgebung sowie das Gebot der Rücksichtnahme.

Soweit die nähere Umgebung des Vorhabens einem der in der BauNVO charakterisierten Gebiete entspricht, beurteilt sich die Zulässigkeit im unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 2 BauGB. Eine bauliche Anlage fügt sich danach in das nähere Umfeld ein, wenn es in einem der aufgeführten Gebiete zulässig wäre. Dies gilt aber nur für die Prüfung der Art der baulichen Nutzung; im Übrigen bleibt es bei den Kriterien nach Abs. 1.

Zulässigkeit im Außenbereich nach § 35 BauGB

Während der Gesetzgeber im Innenbereich von einer grundsätzlichen Bebaubarkeit der Grundstücke ausgeht, soll nach der gesetzgeberischen Intention der Außenbereich von jeder Bebauung freigehalten werden. Bauliche Aktivitäten im Außenbereich stellen daher die Ausnahme dar. § 35 BauGB berücksichtigt aber auch, dass es Anlagen gibt, die einerseits typischerweise auf den Außenbereich angewiesen sind, z.B. land- und forstwirtschaftliche Betriebe, andererseits aber auch bauliche Anlage existieren, deren Nutzung im Innenbereich nur schwer vorstellbar ist, z.B. stark emittierende Anlagen. Aus diesem Grund unterscheiden § 35 Abs. 1 und 2 zwischen sog. privilegierten und nicht privilegierten Anlagen. Eine privilegierte Anlage ist eine solche, die

1. einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,

2. einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,

3. der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,

4. wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,

5. der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie dient,

6. der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebes nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebes nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:

a) das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,

b) die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,

c) es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und

d) die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,

7. der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität, oder

8. der Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden dient, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist.

Privilegierten Vorhaben kann die Beeinträchtigung bestimmter öffentlicher Belange nicht entgegengehalten werden, soweit diese dem Vorhaben nicht entgegenstehen. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt nach § 35 Abs. 3 BauGB insbesondere vor, wenn das Vorhaben

  • den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
  • den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
  • schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
  • unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
  • Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
  • Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
  • die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
  • die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.

Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach § 35 Abs. 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

Der Katalog des § 35 Abs. 3 BauGB ist nicht abschließend. Der Belang der „schädlichen Umwelteinwirkungen“ (Nr. 3) ist eine Ausformung des Gebotes der Rücksichtnahme und entfaltet daher Drittschutz. Die letztendliche Beurteilung erfolgt im Rahmen einer Abwägung der Interessen des Bauherren mit den öffentlichen Belangen.

Bei nicht privilegierten Vorhaben findet keine Abwägung statt. Das Vorhaben ist bereits dann unzulässig, wenn einer der öffentlichen Belange beeinträchtigt wird. Entgegen des Wortlautes besteht in den Fällen des § 35 Abs. 2 BauGB kein Ermessensspielraum der Verwaltung. Liegen die Voraussetzungen vor, muss zudem die Erschließung (§§ 123 ff. BauGB) gesichert sein.

Bestimmte, bereits bestehende bauliche Anlagen im Außenbereich erlangen eine Teilprivilegierung durch die Begünstigung nach § 35 Abs. 4 BauGB.

Bauordnungsrechtliche Zulässigkeit

Die bauordnungsrechtlichen Hürden seien hier stichwortartig genannt:

  • Generalklausel (Art. 3 BayBO)
  • Anforderungen an das Grundstück – Bebauung des Grundstücks mit Gebäuden (Art. 4 BayBO)
  • Abstandsflächen (Art. 6 BayBO)
  • Standsicherheit (Art. 10 BayBO)
  • Schutz gegen Einwirkungen (Art. 11 BayBO)
  • Brandschutz (Art. 12 BayBO)
  • Wärme-, Schall- und Erschütterungsschutz (Art. 13 BayBO)
  • Verkehrssicherheit (Art. 14 BayBO)
  • Anforderungen an Bauprodukte (Art. 15 BayBO)
  • Tragende Wände und Stützen (Art. 25 BayBO)
  • Außenwände, Trennwände, Brandwände (Art. 26, 27, 28 BayBO)
  • Decken, Dächer (Art. 29, 30 BayBO)
  • Rettungswege (Art. 31 BayBO)
  • Treppen, Ausgänge, Flure, Fenster (Art. 32, 33, 34, 35 BayBO)
  • Umwehrungen (Art. 36 BayBO)
  • Aufzüge (Art. 39 BayBO)
  • Feuerungsanlagen, Lüftungsanlage (Art. 39, 40 BayBO)
  • Sanitäre Anlagen, Aufbewahrung von Abfallstoffen, Blitzschutz (Art. 42, 43, 44 BayBO)
  • Aufenthaltsräume, Wohnungen, Stellplätze (Art. 45, 46, 47 BayBO)
  • Barrierefreies Bauen (Art. 48 BayBO)

Zustimmung der Gemeinde nach § 36 BauGB

Nach § 36 BauGB ist bei Bauvorhaben als bauplanungsrechtliche Voraussetzung das Einvernehmen der betroffenen Gemeinde nach § 36 BauGB einzuholen. Dieses Erfordernis ist unmittelbarer Ausfluss der gemeindlichen Planungshoheit. Die Gemeinde kann dem Bauantrag nur aus den sich aus §§ 30-35 BauGB ergebenden Gründen widersprechen. Eine rechtswidrige Verweigerung der Erteilung des Einvernehmens kann durch die Genehmigungsbehörde ersetzt werden.

Vor Erteilung der Genehmigung kann die Gemeinde das Vorhaben trotz Vorliegen der Voraussetzungen einer der Tatbestände der §§ 30, 34 oder 35 BauGB verhindern oder hinauszögern, indem sie ein Bauleitplanverfahren einleitet und zugleich eine Veränderungssperre erlässt (nach § 14 BauGB) oder eine Zurückstellung des Baugesuches (§ 15 BauGB) verfügt.